Wenn wir ausgehen, dann wünschen wir uns ein grandioses Erlebnis. Gerne sind wir bereit, angemessen dafür zu bezahlen. Doch diese Momente stellen sich seltener ein, als man sich das vorstellen mag. Wer berichtet schon gerne über eine erfahrene Enttäuschung. Schaut man sich die Social-Media-Plattformen an, dann erscheint die Welt der gehobenen Gastronomie fast immer perfekt. Doch eine hohe Rechnung ist keine Garantie für eine außerordentliche Leistung.
Gestern durften wir die Erfüllung unserer Idee von Perfektion erfahren. Bereits beim Eintritt in das Resort wurden wir herzlichst empfangen. Man geleitete uns zum Restaurant. Jeder Mitarbeitende, dem wir begegneten, grüßte freundlich und zeigte ein Lächeln, welches alles andere als aufgesetzt wirkte. Dies setzte sich im Restaurant fort. Jeder begrüßte uns mit einer Zugewandtheit, die wir in dieser Form nicht allzu oft erleben. Der junge Moritz stellte sich und seine Kollegin als unsere Gastgeber vor. Moritz und seine Kolleginnen und Kollegen zeigten sich fachlich bestens ausgebildet, verfügen über Witz, Charme und Empathie und trugen so dazu bei, dass wir uns vom ersten Moment an außerordentlich wohlfühlten. Sommelier Iiro Lutter ist der Herr über die Weinkarte. Es ist sehr schön, dass man diese vorab bereits online studieren kann, denn sie ist überaus umfangreich.
Das Restaurant ist in jeder Beziehung geschmackvoll gestaltet. Alles, was wir schätzen, war gegeben. Der Abstand zwischen den Tischen ist großzügig. Ein von mir gewünschter Tisch war für uns reserviert. Die Sitzmöbel sind bequem und mit Lehnen versehen. Separat gab es die Möglichkeit, die Handtasche der Gattin und das Mobiltelefon abzulegen. Die Tischhöhe ermöglichte es, die Beine übereinanderzuschlagen. Eine Tischdecke war vorhanden. Die Musik im Hintergrund war dezent. Das Geschirr ist geschmackvoll ausgewählt. Das Silberbesteck, ein Sammelsurium. Die Gläser von Riedel. Im Laufe des Abends hatten wir die Möglichkeit zu einem intensiven Austausch mit Edip Sigl, Restaurantmanager Simon Adam und dem Managing Director Nikolai Bloyd. Sie berichteten über den Entstehungsprozess und die Philosophie des Restaurants. Und so verstand ich, warum keine Gläser von Zalto oder der Josephinenhütte im Einsatz waren und was es mit dem Besteck auf sich hat. Beeindruckend, wie viel Energie und Zeit aufgewendet wurden, um am Ende ein grandioses Gesamterlebnis zu erschaffen.
Was dann im Laufe des Abends aus der Küche kam, war über jede Kritik erhaben. Wir entschieden uns bewusst für das kleinere Chiemgau Pur – Menü. Im großen Menü gab es Balfego-Thunfisch, N 25 Kaviar, Wildfang-Steinbutt, Mieraltaube. Alles herrlich, aber schon so häufig genossen. Und so erfreuten wir uns an Bachforelle, Saibling und Poltinger Lamm. Alles war großartig. Dies in Gänze zu beschreiben, das sollen die Profis der unzähligen Gastroführer und die Foodblogger übernehmen. Ich lasse Bilder sprechen 😊. Erwähnung sollen aber das perfekte Zeitmanagement, die heißen Teller und Speisen, die wundervollen Soßen, die glücklicherweise kännchenweise serviert wurden und der feine, klare Geschmack der Gerichte finden. Die Proportionen und die Präsentation waren absolut stimmig und die Produktqualität war herausragend. Wenn Herr Sigl auf diesem Niveau weitermacht, dann empfiehlt er sich für uns in absehbarer Zeit für den dritten Michelinstern. Edip Sigl erscheint maximal fokussiert. Losgelöst von der Auslastung des Restaurants, wird jeder Gast immer einhundert Prozent erwarten können. Kompromisse, die kann ich mir hier nicht vorstellen. Tägliche Perfektion aller Beteiligten scheint das Ziel und dies ist einfach nur großartig.
Gibt es etwas Schöneres, als wenn man beim Verlassen eines Restaurants bereits von einem erneuten Besuch träumt? Ja, dies gibt es tatsächlich, nämlich dann, wenn dieser Traum sich bereits innerhalb der ersten Stunde des Aufenthaltes im Kopf und im Herzen manifestiert, wie es gestern Abend im Restaurant Es:senz...
Read more3 Sterne ???
Leider kann ich mich den begeisterten Reaktionen der Gäste nicht vollumfänglich anschließen. Vielleicht hatte ich an diesem Abend einfach nur Pech, „piepegal“, dennoch sehr ärgerlich und schade um das viele Geld. Das Menü beginnt mit einem fulminanten Prolog: APERO es:senz und AMUSE BOUCHE. Sieben sensationelle filigrane Köstlichkeiten unterschiedlichster Texturen, subtil komponierter Aromen, hochprofessionell aufeinander abgestimmt und fantasievoll präsentiert - ein Spektakel der Kreativität. Wäre es doch nur so weiter gegangen ! Der 1. von 8 Gängen des Menüs CHIEMGAU GOES AROUND THE WORLD, eine Scheibe von der GELBSCHWANZMAKRELE in erlesener Sushi-Qualität mit N25 KAVIAR. Man habe alle weltweit verfügbaren Kaviar-Sorten mit der gesamten Crew probiert, so Mister Overmotivation, die einzige Ausnahme des überaus freundlichen und angenehm unaufdringlichen Service Teams, und sich für die Ernte aus Stören, die in Zuchtbecken im thibetischen Hochland (25. Nördlicher Breitengrad) leben, entschieden. Na, da war ich aber nun gespannt, was die Kaviar-Sause in der Küche gebracht hat. Und in der Tat, ein feinkörniger, cremiger, vollkommen geschmacksfreier Kaviar ! Gang: LANGOSTINO (Kaisergranat) in einer schaumigen Beurre Blanc mit einem hauchzarten Wasabi-Aroma. Man möchte den Gästen wohl nicht zu viel Schärfe oder gar Salz zumuten, aber zumindest angegart wäre mir der „Bonsai-Hummer“ doch lieber gewesen = bug Nr. 1. „Ey Mann, in jedem Sterne-Menü ist ein bug“, so ein bekannter sympathisch-schnoddriger Berliner Sterne-Koch. Gang, schon wieder ein Fang aus dem Wasser: ein exquisit zubereiteter STEINBUTT. Die kulinarische Intention der fetten LARDO-Scheibe auf dem Plattfisch hat sich mir jedoch nicht so recht erschließen wollen. Vielleicht eine Reminiszenz an die schnörkellose Küche des Nordens: Scholle nach Finkenwerder Art mit Speck. Gang: ERFRISCHENDES: Ein winziges Blüten-Köpfchen der PARAKRESSE, hierzulande Prickelkraut genannt. Sie wird auf der Zunge platziert, was tatsächlich zunächst ein lustiges Prickeln, dann jedoch eine langanhaltende Schärfe mit einem beängstigenden tauben Gefühl verursacht. Dies wird mit CHAMPAGNER gelöscht, dauert aber. Gang: POLTINGER LAMM, eine pudrig rosafarbene elastische Würfel-Miniatur (3 x 3 x 3 cm) = bug Nr. 2. War der Küche das Fleisch ausgegangen ? Davon konnten auch der raffiniert auf den großen Teller pinzettierte Blümchen- und Kräuter-Kitsch nicht mehr ablenken. Dazu säuerliches Geschnetzeltes von der LAMM-ZUNGE - Schnapp-Atmung. Gang - nahtloser Übergang in eine weitere Miniatur: ein ZIEGENKÄSE-Scheibchen. Gang: Ein abenteuerliches Tête-à-Tête mit samtig-cremigen, opulent-fettigem SAFRANEIS, was in dickflüssigem KERNÖL badet und naturgemäß kulinarischen Schiffbruch erleidet = bug Nr. 3. Warum nur hält sich dieser rundum misslungene Oldie seit 2 Jahren so hartnäckig auf der Karte ? Gang - der furiose Epilog: FRÜCHTE und PETIT FOUR, ein faszinierendes Spektrum anspruchsvoller Patisserie - alles entzückend und beglückend. Insgesamt eine hochmotivierte experimentierfreudige kollektive Küchenleistung. Aber, in der nächsten „Spielzeit“ sollte jemand den Lead wieder übernehmen, sich konsequent auf das Produkt fokussieren und eine eigene unverwechselbare Handschrift entwickeln, ohne Gimmicks. Zeigt sich nicht in der Reduktion auf das Wesentliche, makellos zubereitet, die wahre Könnerschaft ? Auch das dienstbare Ensemble wird es danken, sich von den vermeintlich konditionierten und kapriziösen Erwartungen so mancher Kritiker:innen und Gäste zu befreien. Die Netflix-Junkies („Chef’s Table“) unter den Gourmets wissen um die Mühen, auf dem Level der Haute Cuisine authentische und spannende Gerichte zu kreieren. Aber sie vergleichen...
Read moreIch habe beruflich seit rund 20 Jahren u.a. mit der Gastronomie zu tun und kenne auch das "behind the scene" sehr gut. Seit kanpp zehn Jahren gehen wir privat ein bis zweimal im Jahr in ein Sternerestaurant essen. Gestern habe ich meinen Mann zu seinem runden Geburtstag ins Es:senz eingeladen. Ich hab das Restaurant erst durch Recherche im letzten Jahr entdeckt, wenngleich wir im Nachbarort wohnen. Diese Entdeckung war ein, wie sagt man so schön, Volltreffer. Ich war zunächst etwas spektisch, weil wir uns zuhause vegetarisch, meist sogar überwiegend vegan ernähren. Man hatte mir bei der Reservierung aber zugesichert, dass ein vegetarisches Menü möglich wäre. Nachdem ich regionalen Fisch gelegentlich mit meinem Gewissen vereinbaren kann, hatten wir uns dann gestern für das Chiemgau Pur Menü in pesketarisch entschieden. Los ging es schon hier mit einer detaillierten Beratung, welche Gänge verändert oder getauscht werden und was man statt dessen erhält. Insgesamt ist im Es:senz der Service und die Betreuung hervor zu heben. Der Service ist in der Sternegastronomie nie schlecht, aber hier ist er neben herausragend auch noch besonders. Laut Chef Edip Sigl hat man den Anspruch seine Gäste kennen zu lernen und investiert auch durchaus vorab Mühe in Recherche, wer denn da kommt. Das hat man gemerkt. Neben außergewöhnlicher Aufmerksamkeit, welche in der Sternegastronomie ja häufig vorzufinden ist, kommt hier ein absolut besonderes Level an herzlichem Bemühen um die Kunden hinzu. Nicht nur weiß jeder des Serviceteams ein paar grundlegende Infos über die Gäste, man geht auch weit über das gewohnte Maß hinaus auf jeden einzelnen Gast ein, jedoch stets ohne aufdringlich zu sein. Man fühlt sich einfach nur herzlich betreut, gerne auch mit einer Prise Humor, und bestens aufgehoben. Um ein konkretes Beispiel zu nennen, ich schätze eine Getränkebegleitung zum Menü sehr, kann jedoch keine Weinbegleichtung trinken, weil ich Alkohol in der Menge nicht konsumieren darf. In allen anderen Restaurants, die ich bisher besucht habe, auch in der 2-Sterne-Gastronomie, hat man zwar dann irgendwas mit mir ausgewählt, aber ich hab dann halt den gewählten Saft oder das gewählte alkoholfreie Getränk den ganzen Abend getrunken. Gestern habe ich nur in einem Nebensatz erwähnt, dass ich sehr gerne eine Getränkebegleitung zum Essen hätte, wenn man dafür Ideen für Alkoholfreies hat. Ohne ein weiteres Wort wurde jeder Gang passend und außergewöhnlich flüssig begleitet, so dass mein Erlebnis einem Menü mit Weinbegleitung in nichts nach stand. Das hatte ich vorher noch nirgends erlebt und das ist als absolut herausragend hervorzuheben. Eine weitere Besonderheit, die sowohl meinem Mann als auch mir unabhängig voneinander gleich aufgefallen ist, Essen ist in der Sternegastronomie immer besonders dargeboten. Das Auge isst schließlich mit. Aber im Es:senz ist auch die Art, wie die Speisen angerichtet werden, außergewöhnlich liebevoll im Detail. Etwas vergleichbares habe ich in anderen Häusern mit auch 2 Sternen noch nicht gesehen. Und zu guter letzt noch ein paar Worte zum Essen, wenngleich vermutlich keine Beschreibung diesem Essen gerecht werden kann. Es ist einfach großartig! Auch für dieses Level der gehobenen Küche besonders und ich würde doch sagen wollen herausragend. Mir fällt gar nicht leicht, es konkret zu beschreiben, aber die Kombinationen an Geschmäckern ist überraschend, aber sehr stimmig und wenn mich meine Erinnerung an Vergleichbares nicht trügt auch auf eine ganz spezielle Art und Weise feiner, als alles, was ich bisher in der Sternegastronomie...
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